Kimoe im Interview Im August erscheint endlich das langerwartete Album von dir. Wie wird es heißen und auf welchem Label erscheint es nun?
Mein Album trägt den Namen „Streben nach Glück und wird am 08.08.08 veröffentlicht. Vorher kommt noch meine Teaser-Single „Highlights“ als Download und 7-Inch. Release ist der 11.Juli, direkt an meinem Geburtstag. Beides kommt über Skycap/Roughtrade in Zusammenarbeit mit Rootdown. Alles gute, ambitionierte Leute. www.kimoe.de


Im August erscheint endlich das langerwartete Album von dir. Wie wird es heißen und auf welchem Label erscheint es nun?

Mein Album trägt den Namen „Streben nach Glück und wird am 08.08.08 veröffentlicht. Vorher kommt noch meine Teaser-Single „Highlights“ als Download und 7-Inch. Release ist der 11.Juli, direkt an meinem Geburtstag. Beides kommt über Skycap/Roughtrade in Zusammenarbeit mit Rootdown. Alles gute, ambitionierte Leute.

Warum kommt dein Album erst jetzt?
Ja stimmt, über drei Jahre ist es nun schon wieder her, dass ich meine EP released habe. Das ist schon eine lange Zeit, aber ganz ehrlich, für mich vergingen sie wie im Flug. Ich war ja auch nie untätig gewesen, ganz im Gegenteil, ich war sogar sehr aktiv. Ich habe mit Greg Danielz an Songs für das Album gesessen, wir haben zusammen viel produziert und geremixed, auch viel für andere Künstler. Kollabos, Projekte etc. Dann kommen Gigs und sonstiges dazu und aus Wochen werden Monate und aus Monaten Jahre. Und dann habe ich halt auch einen sehr hohen Anspruch, an dem, was ich mache und da arbeitet man halt auch sehr präzise an seinen Songs, überlegt sich genau, wie man sie schreibt, performed, aufbaut und arrangiert. Ich bin da sehr perfektionistisch. Was mir allerdings auch manchmal etwas im Wege steht. Wenn es zum Beispiel um Selections geht, muss man oft schnell funktionieren. Das klappt auch, aber ich bin oftmals im Nachhinein nicht mehr sehr zufrieden, weil ich mir die Sachen dann anhöre und denke, „na ja, das hätte ich auch besser ausdrücken können“ oder „hier wäre es eigentlich viel cooler gewesen, wenn ich noch ein paar Chor-Stimmen oder eine Bridge eingesungen hätte“ etc. Künstlerkrankheit!

Wie würdest du den Sound deines Albums aus deiner Sicht beschreiben?
Das ist eine gute Frage. Ich finde, dass der Sound des Albums sehr eigenständig geworden ist, sehr klischeefrei, was mich sehr freut, da mir, wie gesagt, der künstlerische Ausdruck sehr wichtig ist. Es sind Dancehall- und Modern-Roots Songs, die aber eine sehr eigene Handschrift haben, sei es durch meine Art des Songwritings oder durch die teilweise unkonventionelle Art der Produktionen, mit viel Liebe fürs Detail. Also als Künstler bin ich sehr zufrieden, dieses Album ist absolut ein Kimoe-Album. Ob es dadurch ein gutes Reggae- oder Dancehall-Album ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das kümmert mich allerdings auch ehrlich gesagt sehr wenig. Hör dir mal zum Beispiel das Jamrock-Album von Damian Marley an. Ein unglaublich gutes Album. Kreativ und innovativ, genau mein  Fall. Aber ist es dadurch eines der besten „Reggae“-Alben? Keine Ahnung. In erster Linie ist es mein Anspruch gute Musik zu machen, nicht ein gutes Genre-Album zu kreiern. Wenn es das letztendlich trotzdem geworden ist, um so besser!

Wovon handeln die einzelnen Songs?
Vom Streben nach Glück. In den unterschiedlichsten Fassetten. Die Songs sind überwiegend conscious. Auch wenn einige Dancehall-Nummern drauf sind. Eines haben aber alle Tunes gemein: Sie sollen etwas Positives, etwas Aufbauendes vermitteln, selbst wenn sie beim ersten Hören „nur“ wie ein Bashment-Tune scheinen. Für mich selbst steckt aber viel mehr dahinter: Die ganzen Leute, die tagein, tagaus arbeiten müssen, um ihren Lebensbedarf decken zu können, und sich die ganze Woche auf die Party am Samstagabend freuen, bei der sie ihren Stress abbauen können. Gerade die Leute in meinem Alter haben Zukunftsängste oder Stress im Job - da finde ich es wichtig, den Leuten etwas positive Energie zu geben und sie wieder aufzubauen. Das ist in 99% der Fälle meine Ambition. Bei dem anderen 1% kommt dann so eine Egotrip-Nummer wie „Highlights“ bei raus! (lacht)


Wie reagierst du auf manche Vorwürfe, wie z.B. du wärst zu Pop Musik orientiert?
Das lässt mich kalt. Was ist schon „Pop Musik“? Wenn man mich für einen Pop-Künstler hält, weil ich sehr detailverliebt bei meinen Songs bin und immer versuche, das maximale dabei rauszuholen und nicht nur mit Standard-Kram zufrieden bin, dann bitte, dann bin ich eben für diese Leute ein Popkünstler, hab ich gar kein Problem mit. Machen wir uns doch nichts vor, das ist doch letztendlich auch alles Geschmackssache. Ich mag keine Pfefferminzdrops, Millionen andere lieben sie. Mich zwingt keiner die Drops zu futtern, ich zwinge niemanden, meine Songs toll zu finden. Für deren Geschmäcker gibt es genug andere Künstler, so einfach ist das.

Eigentlich kommst du ja vom HipHop, wie kamst du dann zum Reggae und welchen Einfluss hat HipHop jetzt noch auf dich, deine Songs und Texte?
Was soll ich sagen, ich bin mit HipHop aufgewachsen, es ist ein Teil meiner Jugend aber musikalisch habe ich eigentlich schon immer gesungen. Damals auf HipHop-Beats, heute auf Reggae-Riddims. Das allerdings auch schon seit  gut 8 Jahren. 1998 habe ich Ganjaman kennen gelernt, der zu der Zeit schon sehr aktiv im produzieren war. Bei ihm im Studio habe ich dann auch die ersten „Reggae“-Songs aufgenommen. Später hatten wir dann das Projekt „Die Brandstifter“, bei dem auch Mr.Reedoo (heute Culcha Candela) und noch ein paar weitere Mitstreiter am Start waren. Man darf auch einfach nicht vergessen, dass es 1996, zu der Zeit, wo ich angefangen habe zu singen, noch gar keine richtige „Reggae-Szene“ gab und schon gar nicht für deutschen Reggae. Keine Reggae-Festivals oder sonstiges. An einer handvoll Orten in Berlin gab es Mitte der Neunziger Reggae-Partys wie zum Beispiel Deeroys Urban Bass-Reggae Night oder die Partys im Subground. Und das ein bis zwei Mal im Monat. Heute ist in Berlin jeden Abend irgendwo was los, jährlich kommen neue Festivals und werden immer größer und besser besucht. Es hat sich also einiges getan.
Wenn du früher als Artist auftreten wolltest, dann hast du auf HipHop-Partys gespielt. Allerdings war das damals auch kein Unding, da die HipHop-Szene ja auch noch viel mehr conscious war. Heutzutage wäre das ja alles kaum noch denkbar. Aber ich muss sagen, HipHop ist trotzdem noch irgendwo in meinem Herzen, wie eine Jugendliebe. Nur das man sich halt in den Jahren in vielen Gesichtspunkten auseinander gelebt hat.

Wie kam es zu den Features auf dem neuem Album?
Sie waren einfach nicht zu verhindern. Ich habe mich anfangs noch dagegen gewehrt, aber die Kraft war zu groß! (lacht) Nein, mal im Ernst, es ist Schicksaal. Wir haben uns in den letzten Jahren kennen gelernt, waren geflashed von einander und der Rest ist Geschichte. Obwohl, die Sache mit Dodo ist natürlich eine Ausführung wert, da es ohne die Conjahs Fiyah-Party in Köln, bei der wir beide gebucht waren und gut gefeiert haben, vielleicht nie zu dieser Kollabo gekommen wäre. Der Song ist also deine Schuld Chris!  

Wer hat neben dir alles am Album mitgearbeitet, woher kamen die Riddims?
Die Riddims kommen zu 80 Prozent von meinem Kollegen Greg Danielz, für mich einer der besten Produzenten überhaupt, ohne Scheiß! Der Rest kommt von Ganjaman, Sam Gilly (House of Riddim), Krutsch und Irievibrations. Ganjaman muss ich hier auch noch einmal lobend hervorheben. Er hat sich trotz seines großen Zeitmangels, wegen der Arbeit an seinem eigenen Album, echt gut rangesetzt um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.


Welche Erwartungen hast du jetzt mit dem Album im Gepäck?
Seltsam, die Frage wird mir öfter gestellt. Na was Popstars so erwarten, Sektbäder und den Kühlschrank voller Kaviar. Scherz! Ich erwarte gar nichts. Musik ist die einzige Sache bei mir, wo der Spruch „Der Weg ist das Ziel“ für mich total passt. Es gibt kein Ziel. Ich liebe es Musik zu machen, ich liebe es mit Greg im Studio zu sein und neue Songs zu kreieren, ich liebe es mit den Leuten auf den Konzerten zu feiern. Das Album ist also nicht unbedingt das Ziel, sondern eine Dokumentation des Weges der letzten drei Jahre. Und außerdem mache ich mir ja mit dem Album auch selbst ein gutes Geschenk zum Geburtstag. Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn bei den Leuten am 11.Juli die selbe Musik läuft, wie auf meiner Party und sie somit geistig mitfeiern.

Glaubst du daran, dass du mit deinen Texten etwas in den Köpfen der Hörer bewegst?
Ich glaube es nicht nur, ich weiß es. Man hat auch eine gewisse Verantwortung als Künstler. Als ich damals die 2 Nummern für das Brandstifter-Album aufgenommen habe, hab ich nach dem Release krasses Feedback bekommen. Die Songs waren recht pessimistisch und ich hatte dann Mails und Gästebuch-Einträge von Leuten bekommen, die sich da voll darin wieder gefunden haben. Das Ding war nur, die Songs kamen 3 Jahre, nach dem ich sie geschrieben habe raus. Ich war längst aus meiner Depristimmung raus, in der ich war und habe auch gelernt, mit den Situationen umzugehen, die mich damals belastet haben. Und jetzt schreiben dir auf einmal Leute, dass es ihn auch so gehen würde. Da hatte ich irgendwie ein schlechtes Gewissen, meine „Altlast“ abgeladen zu haben und sie dann damit allein gelassen zu haben. Die psychologische Wirkung eines Songs ist mir dadurch erst einmal richtig bewusst geworden. Ich habe meinen „Seelen-Müll“ mit ihnen geteilt, aber keinen Weg gezeigt, ihn zu entsorgen, abgesehen davon, dass ich es zu der Zeit selbst nicht wusste. Das hat meine Schreibweise nachhaltig beeinflusst. Mir hat die Art von Rio Reiser gefallen, in seinen Texten Missstände aufzugreifen, aber im Refrain immer wieder, das Gefühl zu geben, „hey, gemeinsam schaffen wir das“, das war eine Art, die ich für weitaus sinnvoller und produktiver empfand. Das ist übrigens auch etwas, dass ich an dem aktuellen Rapgeschehen kritisiere. Viele Rapper erzählen den Kids, dass alles scheiße ist und lassen sie mit diesem bitteren Gefühl alleine. Und der Frust wird größer, anstatt, das diese vorhandenen Energien neu kanalisiert werden, um sie für positive Veränderung zu nutzen.

Was würdest du dir wünschen, was der Hörer empfinden und denken soll, wenn er dein Album hört?
Für den Anfang reicht es mir, wenn er es sich holt! (grinst) Aber im Ernst, es würde mich freuen, wenn die Hörer eine Stunde lang gut unterhalten worden sind. Im besten Fall so, dass sie viele weitere Stunden davon unterhalten werden wollen und im aller besten Fall, ein Album zu hause haben, von dem sie ein oder zwei Jahre später sagen „oh ja, dieser Sommer war geil, ich hab dies und jenes gemacht und das Album hat mich dabei begleitet“. Wenn ich heute das „The Score“ Album von den Fugees höre, bin ich wieder 16. Ich sehe Bilder und Gesichter vor mir und rieche sogar fast den Frühling. Und das war für mich vor 12 Jahren. Krass, was Musik bewirken kann.

Wie eng bist du mit Soundsystems hier in Deutschland verwurzelt bzw. verfolgst du das Geschehen in der Szene?

Natürlich verfolge ich, was da so geht. Die Soundsystems sind das Fundament der Reggae-Szene. Ohne diese verrückten Jungs und Mädels da draußen, die sich die ganzen Nächte um die Ohren schlagen, um der Massive einzuheizen, gäbe es hier gar keinen Reggae. Sie spielen die Tunes und machen sie zu Untergrund-Hits. Oftmals sind es die Sounds, die die Veranstaltungen machen und die Künstler buchen. Kommerziell gesehen ist Reggae hier viel zu uninteressant für die großen Medien, die supporten das gar nicht, außer, wenn etwas so groß geworden ist, dass sie nicht mehr daran vorbei kommen. Die Sounds halten Reggae hier am Leben. Big up an alle Soundsystems da draußen, die positive Vibes verbreiten!


 

Live hat man dich ja schon als Support für Sean Paul, Culcha Candela, Turbulence, den Freestylers (UK) und auf unzähligen Konzerten und Festivals in Deutschland, Österreich und der Schweiz bewundern können. Was für Erfahrungen hast du da gesammelt bzw. sind für dich einige Auftritte ganz besonders in Erinnerung geblieben?
Ja klar. Ich habe großartige Künstler und Menschen kennen gelernt. Mit Sean Paul oder Culcha zu spielen war natürlich ein krasser Eindruck, wenn du in ausverkauften Riesenhallen spielst und die Massive so tobt, dass du dir genau überlegst, ob du noch mal um ein bisschen Lärm bittest, weil die Mädels so laut sind, das es dich da vorne von der Bühne bläst. Aber auch so Dinge wie, das ich nach einem Festival noch mit Desmond Dekker und na Menge netter Leute in einem Pub saß und ein Bierchen getrunken habe. Es war großartig ihn noch mal zu Lebzeiten erlebt zu haben. Er war ein so umgänglicher und cooler Typ. Schon ein krasser Selbstdarsteller aber ohne jegliche Allüren im Umgang mit den Mitmenschen, das hat mich beeindruckt. Ansonsten ist das Tour-Leben immer irgendwie nice. Ich war in den geilsten Hotels und in den abgeranztesten Bruchbuden und alles war ein Erlebnis wert. Solange du nette Leute triffst, oder mit den richtigen unterwegs bist, ist das alles großartig. Deswegen bin ich zum Beispiel auch gerne immer mit festem Selecta unterwegs, das ist jedes Mal wie Klassenfart. Big up AJ!

Deine ersten Aufnahmen hast du noch in englischer Sprache gemacht, nun auf deutsch. Reggae in Deutschland hat in den letzten Jahren einen großen Aufstieg erlebt, nicht zuletzt durch Bands wie Seeed oder jüngst Culcha Candela. Wie siehst du die Entwicklung der Szene? Versuchst du auch ein Stückweit auf den Zug mit aufzuspringen?
Meinen letzten englischen Text habe ich, abgesehen von meinen verwendeten Anglizismen, vor 12 Jahre geschrieben. Seitdem singe ich auf deutsch.  Aber zu deiner Frage ob es irgendwelche Züge gäbe, auf die man aufspringen könne. Ich denke, da ist nichts zum Aufspringen, für niemanden. Wenn du es nicht schaffst als Individuum und Künstler wahrgenommen zu werden, wirst du nicht weit kommen. Es kann dir natürlich helfen, als Support zu spielen oder Kollabos zu machen, aber wenn du nicht fit bist, interessiert das keinen Menschen, du musst auch da in deiner Eigenart überzeugen. Wenn du auf einen Zug aufspringst, wirst du immer nur dran hängen und auf den gelegten Gleisen mitfahren, das Monopol bleibt bei dem Zugbesitzer. Du brauchst deinen eigenen Zug, musst neue Wege gehen, neue Energien ins Geschehen bringen. Und weißt du, was das gute daran ist? Das genau das, die Szene belebt und voran treibt. Das hält vital, fördert neue kreative Prozesse und Entwicklung. Wenn sich dieser „Sportsgeist“ noch mehr entwickelt, so das die Künstler schauen, wie sie in der Umsetzung ihrer eigenen Ideen und Gefühle zu einem Song immer besser, prägnanter und präziser werden, denke ich, dass sich da durch aus noch einiges tun kann. Gute und innovative Musik wird sich durchsetzen, da bin ich mir sicher.
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