Zwischen Neuroleptika und Nairobi
geschrieben von Rüdiger Schramm (Rankingsmo at gmail.com)

“Je höher die Potenz der Neuroleptika, desto starker sind ihre Nebenwirkungen” erklärt die etwas älter wirkende Dozentin, ohne wirklich viel Betonung auf ihre Worte zu legen. Ein Satz folgt direkt dem nächsten. Wer kann es ihr verübeln: In einer Ecke hat ein Student seine Unterlagen zu einem Sprechrohr gerollt und macht damit recht anstößige Geräusche. In der anderen Ecke – eine Gruppe Mädchen Mitte zwanzig, vertieft in eine Diskussion, die mit Pharmakologie sicherlich nicht viel zu tun hat. Und auch Sänger Volkan Aykac macht im Minutentakt seine Witzchen. „Sie wissen wie spät es ist“ scherzt er bestimmt fünf Mal, jedes Mal nämlich, wenn ein weiterer Student verspätet den Seminarraum betritt.

Volkan hatte definitiv nicht zu viel versprochen, als er von einem unterhaltsamen Seminar sprach. Wie zwischen besten Freunden, die sich schon seit der Grundschule kennen, wirkt er hier. Und trotzdem macht ihn etwas speziell, unterscheidet ihn etwas vom Rest der Gruppe. Volkan ist Reggae-Sänger, in der Szene gar nicht mal so unbekannt. Und jeden Ton den er singt, jedes Konzert das er gibt, er tut es aus einem speziellen Anlass. Er macht all das „im Namen der Menschlichkeit“.

Schon beim ersten Treffen plaudert er direkt drauf los, über alles, was er sich im das letzten Jahr aufgebaut hat: „iNaDeM“ kürzt sich sein wohltätiges Projekt ab, dessen Hauptaufgabe es ist, durch Musik Spenden für Hilfsorganisationen wie „Ärzte für die 3. Welt“ oder „Gemeinsam für Afrika“ zu sammeln, um in Nairobi eine Krankenstation zu finanzieren oder Ärzteteams in Krisenregionen zu entsenden. Und dafür macht Volkan alle Kräfte mobil. Spezielle Songs werden aufgenommen, Events werden veranstaltet – zuletzt in der Berliner Diskothek „Yaam“.

Dort warten die Leute schon seit einer Weile ungeduldig auf ihren „VolkanikMan“, wie Volkan in der Szene eher bekannt ist. Mit erwartungsfrohen Gesichtern bewegen die Tanzwütigen ihre Körper zu den tiefen Reggae Bässen, die nur so aus den Boxentürmen zu wabern scheinen. Die Leute wissen, mit dem heutigen Eintrittsgeld bewirken sie alle etwas ganz besonderes, Gutes tun durch Feiern heißt die Devise. Auch heute Abend trägt Volkan seinen Arztkittel, der nunmehr jedoch Teil seines Bühnenoutfits geworden ist - längst ein Erkennungsmerkmal bei seinen Fans. Die hochpotenten Neuroleptika spielen für ihn, zumindest in diesem Moment, keine große Rolle mehr.

Dabei hat er auch seine Laufbahn als Arzt nicht ohne Grund eingeschlagen. Schon im Alter von 8 Jahren fällt er die feste Entscheidung, anderen Menschen zu helfen, nachdem er selber nur knapp dem Tod durch einen schweren Asthma-Anfall entgeht. Und diesem Credo folgt er nun mehr denn je, hat er doch seit März 2006 seine komplette Musikkarriere der Wohltätigkeit gewidmet. Seitdem setzt er sich wie kaum ein anderer Musiker für die gute Sache ein. Selbst der in England ansässige Rapper „Tippa Irie“, welcher schon seit den 80er Jahren im Reggae Kultstatus genießt, wurde im letzten Jahr auf Volkan und sein Projekt aufmerksam, und ließ es sich nicht nehmen, völlig umsonst auf seinem Konzert aufzutreten.

Im Seminarraum wird mittlerweile überall getuschelt, gelacht und gekritzelt. Der Gruppenälteste – stolze 32 Jahre alt – fällt fast vom Stuhl und kann sich gerade so noch halten. „In den Seminaren erfährt man nur einen Bruchteil der wichtigen Informationen, es herrscht zwar Anwesenheitspflicht aber wir lernen alle lieber Zuhause“ erklärt Volkan den leicht anarchistischen Zustand. Die Nebenwirkungen der Neuroleptika interessieren heute wohl keinen der hier anwesenden Studenten mehr.

Doch trotz dem Druck der Uni und der Notwendigkeit des abendlichen Paukens bringt Volkan genug Energie für einen erfolgreichen Abend im „Yaam“ auf: 1000 Gäste konnte er heute auf seiner Veranstaltung verzeichnen. Das ist ein Spendenerlös von rund 3000 Euro - damit bleibt er seinem Motto „Action speaks louder than words“ mehr als treu. Genug um „Berliner des Tages“ zu werden ist es allemal, und so konnte sich der „VolkanikMan“ am 21.12.2006 mit diesem vom Berliner Rundfunk verliehenen Titel schmücken.

Doch ob nun die Neuroleptika oder Nairobi – für eins von beidem wird sich Volkan am Ende seines Studiums wohl entscheiden müssen. Dass so ein großes Konzert wie im „Yaam“ mit viel Aufwand und Stress verbunden ist, durfte er bereits lernen.
Jedoch scheint sein Team immer mehr Zuwachs zu bekommen: Kommilitonin Janina Bertz hat er unter anderem schon begeistert: „Ich kann zwar nicht singen, möchte Volkan aber helfen wo ich kann! Ich könnte mir vorstellen, vielleicht hier auf der Kinderstation mit den kleinen Patienten zu basteln oder zu malen“, sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht. „Sein Benefizalbum hat auf jeden Fall jeder in der Seminargruppe schon gekauft!“ schwärmt sie von Volkans Engagement. „Ich habe einen riesigen Respekt davor, dass er neben dem Studium noch Zeit für so eine gute Sache findet!“
Hoffen wir, dass er es auch weiterhin schafft, im Namen der Menschlichkeit sowohl zu studieren, als auch zu musizieren.

geschrieben von Rüdiger Schramm (Rankingsmo at gmail.com)

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Das Album „Volkanikman & Friends – iNaDeM“ für 6,50€ in allen gängigen Onlineshops zu erwerben. 4€ von jeder verkauften CD werden direkt gespendet.
Alle Infos zum Projekt von Volkan Aykac findet man unter www.inadem.de